In früheren Zeiten war die „Stube“ oft der einzige Raum in einem Wohnhaus, den man beheizen konnte. Weil darin auch Gäste empfangen wurden, war sie nach Möglichkeit repräsentativ ausgestattet. Eine solche beheizbare Stube befand sich auch in jedem Gasthaus, so auch in Denzlingen. Der Raum, der vom Vogt und vom Rat im dörflichen Wirtshaus für Verwaltungsakte und Besprechungen benutzt wurde, galt als Gemeinde-Stube.
Nachdem der Denzlinger Kronenwirt 1798 die Rebstock-Stube erworben hatte, konnte die Gemeinde darin nur noch über zwei Räume verfügen. 70 Jahre später wurde dort, wo zuvor das Gasthaus „Birke“ stand, ein neues Rathaus gebaut. Es diente aber nur kurze Zeit als Sitz der Verwaltung. Denn das Ortszentrum verlagerte sich zu dieser Zeit in die Nähe des Bahnhofs, der Schule und der Georgskirche, wo 1909 das repräsentative Rathaus erbaut wurde.
Das Gericht unter der Linde
bei St. Michael
Abb. 1: Das Gericht unter der Dorflinde zu Schüpfheim (Diebold Schilling, 1513)
Im Mittelalter wurde unter freiem Himmel Gericht gehalten und Recht gesprochen, damit die Öffentlichkeit teilhaben konnte und nicht ausgeschlossen war. Schutz vor der Witterung bot allenfalls ein Baum (Gerichtslinde) oder eine Laube (Gerichtslaube), die zu einer Seite offen war. Es gibt gute Gründe für die Annahme, dass sich eine solche Gerichtsstätte auf dem kleinen Hügel zwischen der Michaelskirche (“Storchenturm”, siehe Tafel 13) und der Gaststätte “Rebstock” befunden hat. Dort bildete sich nämlich das alte Dorfzentrum heraus.
Von einem “Gericht zu Denzlingen” erfahren wir erstmals im Jahre 1305, als der Markgraf Heinrich III. von Hachberg (1290-1330), Landgraf im Breisgau, den Freiburger Brüdern Rudolf und Johannes Turner das gerihte ze Tenzelingen mit allem rehte übertrug. 1439 saß der Denzlinger Vogt Clewi Udelhart “unter der Linde bei St. Michael” im Namen der Markgräfin und dann am 15. Januar 1448 im Auftrag des Markgrafen Jacob I. (1431-1453) zu Gericht. 1473 war es der Denzlinger Vogt Peter Gartysen, der im Namen des Markgrafen Karl I. (1454-1475) dort Recht sprach.1490 entschied er zusammen mit 12 namentlich genannten Männern “vom Gericht” in einem Streit über einen Wässerungsgraben.
Die Gemeinde-“Stube”
Abb. 2: Seite 8 aus dem Urbar Denzlinger Gebräuch und Herkommen von alters her von 1521
Im Urbar Denzlinger Gebräuch und Herkommen von alters her, das im Jahre 1521 aufgezeichnet wurde und heute in einer Abschrift im Archiv der ev. Kirchengemeinde aufbewahrt wird (siehe Abb. 2), sind dann – neben dem Vogt und den 12 Richtern als Vertreter der Herrschaft – ein Heimburger und 12 von der Gemein als Vertreter der Bürgerschaft aufgeführt. Spätestens im 16. Jahrhundert muss es also eine Versammlungsstätte für den Vogt, den Heimburger und “die Vierundzwanzig” gegeben haben, denen die Verwaltung der Dorfgemeinschaft oblag, und dies dürfte die “Stube” gewesen sein, das heutige Gasthaus “Rebstock – Stube”.
Zum Jahr 1660/61 ist der Gemeinderechnung zu entnehmen, dass das Gemeinde Haus, das wohl beim Dorfbrand des Jahres 1635 zerstört worden war, abgebrochen und wiederum eingedeckt worden ist. Im sog. “Spanischen Erbfolgekrieg” (1701-1714) nutzten französische Soldaten die Michaelskirche als Quartier. Dass ihnen die “Gemeindestube” als Hauptquartier diente, wissen wir aus einer Beschwerde des Stubenwirts von 1717 über unbeglichene Rechnungen der französischen Besetzer. Als erster Stubenwirt nach dem Wiederaufbau wird Werner Brauner genannt (siehe Auflistung der Pächter weiter unten).
Abb. 3: Tumult vor der Gemeindestube 1789
(Zeichnung von L. Plavac 1975)
Am 29. August 1789 wurde die “Stube” zum Schauplatz revolutionärer Unruhen. Ein Streit mit der Forstmeisterei Hochberg um das “Nonnenhölzle”, ein Waldstück im Unteren Wald, das die Denzlinger für sich beanspruchten, sowie Auseinandersetzungen mit dem Oberamt in Emmendingen waren eskaliert, als ein protestierender Denzlinger Bürger verhaftet und in Turmhaft arrestiert wurde. Möglicherweise spielten auch die revolutionären Ideen und Ereignisse, die zur gleichen Zeit in Frankreich die Französische Revolution verursachten, eine Rolle. Der Vogt berief, als er aufrührerische Gesinnung unter den Bürgern wahrnahm, die Gemeinde zur “Stube”ein und hoffte, die aufgebrachten Bürgerinnen und Bürger besänftigen zu können. 80 bis 100 Denzlinger versammelten sich daraufhin, bewaffnet mit Heugabeln, Sensen, Dreschflegeln und einem Gewehr, vor der Gemeindestube. Einige der Rädelsführer drangen in die “Stube” ein, und Schüsse fielen. Vogt Nübling versuchte vergebens, die aufgebrachte Bevölkerung mit allerhand Reden zu besänftigen.
Erfolgreich war dieser Denzlinger Aufstand nicht: 14 Rädelsführer mussten ins Zuchthaus, und andere, die ebenfalls an den “geheimen Versammlungen” im Nebenzimmer der “Stube” teilgenommen hatten, wurden zu “Wuhrarbeiten” verurteilt und bestraft. Dem Kampf für das “Nonnenhölzle” und für größere bürgerliche Mitspracherechte war kein Erfolg beschieden.
1798 sah sich die Gemeinde wegen drückender Schulden gezwungen, die Gemeindestube an den Kronenwirt Jacob Reitzel zu verkaufen. Er war aber verpflichtet, zwey Stuben, wo man einheitzen kan, freizuhalten, und zwar: eine vor die Gemeind, die andere vor Vorgesetzte und Gericht. Von nun an hieß das Gasthaus “Zum Rebstock – Stube”; die Besitzer beziehungsweise Pächter waren:
• 1663 Werner Brauner, Pächter• Jacob Reitzel (1734-1805), Kronenwirt, und Pächter, ab 1798 Rebstockwirt• Jacob Reitzel (1781-1852), Rebstockwirt• Ludwig Reitzel (1821-1869), Rebstockwirt• Catharina Reitzel (1826-1912), Witwe Rebstockwirtin• Wilhelm Arnold (1849-1922), Rebstockwirt• Emil Friedrich Frey (1866-1915), Metzger und Rebstockwirt ab 1890• Emil Wilhelm Frey (1894-1918), Metzger und Rebstockwirt• Steinmann, Metzger, Pächter 1918-1922• Adolf Frey (1896-1963), Metzger und ab 1922 Rebstockwirt.• Adolf und Axel Frey (1963-heute)
Die weiteren Rathäuser in Denzlingen
In Folge der neuen Gemeindeordnung von 1831 wurden die Befugnisse des Vogts, des Heimburgers und der Richter auf Bürgermeister, Gemeinderat und Bürgerausschuss übertragen. Als die Gemeinde 1853 das Gasthaus “Birke” erwarb, wurde darin ein Ratszimmer für den Bürgermeister sowie ein Sitzungszimmer für den Gemeinderat und den Bürgerausschuss eingerichtet. 1868 erbaute man daneben ein zweistöckiges Rathaus mit einem großen Ratssaal im Obergeschoss. Zu dieser Zeit verlagerte sich aber der Dorfmittelpunkt, nicht zuletzt wegen des Bahnhofs (siehe Tafel 19) und der 1876 erbauten Schule im Oberdorf, bereits bachaufwärts nach Osten. Dort wurde dann 1909 das prachtvolle “Alte Rathaus” errichtet; 1996 folgte der Umzug in das daneben erbaute “Neue Rathaus” (siehe Tafel 16).
Autoren dieses ArtikelsDieter Geuenich, Dieter Ohmberger
Quellen / CopyrightsDenzlingen. Vergangenheit – Gegenwart – Zukunft 24/25 (1996), hg. von der Gemeinde Denzlingen unter Mitarbeit von Wolfram Dennig, Helmut Käfer, Julius Seitz, Manfred Nübling, Dieter Geuenich, Jürgen Spiecker (Ettenheim 1996)Dieter Geuenich, Denzlingen, eine alemannische Siedlung im Breisgau (Freiburg 1983), S. 92-95, 178-199.Dieter Geuenich – Dieter Ohmberger, Denzlingen,
Band 1: Von den Anfängen bis zum Dreißigjährigen Krieg (Denzlingen 2012), u. a. S. 133-136, 201 [Abbildung 2, S. 133]Dieter Geuenich – Dieter Ohmberger, Denzlingen,
Band 2: Vom Dreißigjährigen Krieg bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges (Denzlingen 2009), besonders
S. 144-147.Karl Friedrich Meyer, Das alte Denzlinger Dorfbuch, Vortrag gehalten am 16. Juni in der Sitzung des historischen Vereins zu Emmendingen (Emmendingen1875)
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